Natascha Sonnenberg «Veränderungen in der Planung durch Building Information Modeling (BIM) insbesondere in Bezug auf Führung und Zusammenarbeit»

Building Information Modeling (BIM) ist eine Methode, die seit einigen Jahren immer verbreiteter angewendet wird, auch für die Umsetzung liniengeführter Infrastrukturprojekte, wie sie üblicherweise bei der Deutschen Bahn vorkommen. Alle neuen Infrastrukturprojekte sind gemäß Vorgabe des Bundesverkehrsministeriums als BIM-Projekte umzusetzen. Bisher liegt der Fokus dabei sehr im technischen Bereich z. B. bei der 3D-Modellierung und beim Datenaustausch. Die Anwendung der BIM-Methode bedingt auch eine andere Art der Zusammenarbeit und eine andere Führung, sowohl innerhalb eines Projektteams, im Unternehmen selbst, aber auch über die Unternehmensgrenzen hinweg, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Bauunternehmern. Gemeinsam mit den Teilnehmerinnen wird im Workshop erarbeitet, welche weiteren Dimensionen die Anwendung der Methode mit sich bringen muss und warum das vielleicht sogar bei der KI sehr ähnlich ist.

 

Über die Referentin:

Dipl.-Ing. Natascha Sonnenberg ist Bauingenieurin und hat an der Universität Hannover studiert. Bereits im Studium hat sich – mit der Vertiefungsrichtung Verkehrswesen – ihre Leidenschaft zum Eisenbahnwesen herausgestellt. Nach 2,5 Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart ist sie zur Deutschen Bahn gewechselt. Dort ist sie seit 14 Jahren in wechselnden Rollen und Konzernunternehmen in Bahn-Infrastrukturprojekten unterwegs. Derzeit ist sie Leiterin der Abteilung Planung Verkehrsanlagen bei der DB Engineering & Consulting, dem Ingenieur- und Beratungsunternehmen der Deutschen Bahn, in Karlsruhe mit gut 50 Mitarbeiter*innen. Durch die frühe Übernahme von Führungsaufgaben beschäftigt sie sich seit einigen Jahren vertieft mit den Themen „Moderne Führung“ und „Neue Arbeit“ und verbindet beide Leidenschaften in ihrem Workshop.

Veränderungen in der Planung durch Building Information Modeling (BIM) insbesondere in Bezug auf Führung und Zusammenarbeit

von Dipl.-Ing. Natascha Sonnenberg, Leiterin Planung Verkehrsanlagen, DB Engineering & Consulting GmbH

Die DB Engineering & Consulting (DB E&C) ist eine 100% Tochter der Deutschen Bahn und dort im Vorstandsressort Infrastruktur angesiedelt. Als Auftragnehmerin
z. B. für die Konzernunternehmen DB Netz AG und DB Station & Service, aber auch für Kommunen und nicht bundeseigene Bahnen planen und begleitet sie Infrastrukturprojekte in allen Leistungsphasen.

Bisher bestand das Ziel der Planung darin, die qualitätsgerechte Abgabe von 2D-Plänen (digital, z. B. als pdf oder in Papierform) am Ende der Bearbeitung an die Auftraggebenden zu ermöglichen. Dabei erstellte jedes beteiligte Fachgewerk seine eigenen Planunterlagen, die am Ende zu einer Gesamtunterlage zusammengestellt wurden. Es gab jeweils punktuelle Planungs- und Projektbesprechungen mit und ohne die Auftraggebenden. Schwerpunkt waren meist die Management-Themen Termine und Kosten, selten erfolgte auch die Ansicht von ersten Planentwürfen.

  • Seit einigen Jahren hält Building Information Modeling (BIM) als neue Arbeitsmethodik Einzug in die Planungswelt für Bahn-Infrastrukturprojekte. BIM unterscheidet sich in vier Punkten von unserer bisherigen Arbeitsweise:
    Visualisierung: wir bauen erst virtuell, dann real. In einem virtuellen Gesamtmodell werden alle Informationen bereits ab der Bestandaufnahme über alle Leistungsphasen gebündelt. Das Modell ist meist ein 5D-Modell: 3D für die räumliche Ausprägung und 4- und 5D für die Kosten und die Termine. Damit wird das Projekt für alle Beteiligten transparenter. Auch für die Bürger*innen lassen sich mit realistischen Visualisierungen besser aufzeigen.
  • Betrachtung der Anlage über ihren gesamten Lebenszyklus (Planen, Bauen, Betreiben, Instandhalten)
  • Kooperativ und vernetzt arbeiten: intern und extern: eine engere Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten und Partner*innen ist das Ziel. Dabei soll ein permanenter Informationsfluss hergestellt werden. Dies dient auch der Vorbeugung späterer Korrekturschleifen.
  • Digitalisierung: mit BIM wird Infrastruktur digital: alle Informationen sind auf dem neusten Stand und werden auf einer gemeinsamen Datenplattform bearbeitet.

Bei der bisherigen Einführung dieser Arbeitsmethode in der Planung der DB E&C zeigt sich, dass neben dem Blick auf die reinen technischen Veränderungen (neue, andere Softwareprodukte, Schnittstellen und Bibliotheken) der Blick auf die Mitarbeitenden dabei mindestens genauso wichtig ist. Es ändert sich für diese zwar gar nicht so viel am „Was“, aber sehr viel am „wie“. Die Produkte und Leistungen bleiben gleich, aber die Art und Weise, wie wir diese erstellen, ändert sich maßgeblich. Das zu erstellende Modell wird zur Arbeits-, Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsgrundlage und rückt daher während der Erstellung der Planung viel mehr in den Fokus als die bisherigen 2D-Planunterlagen. Es wird permanent über „unfertige“ Zwischenzustände gesprochen. Durch die Nutzung der gemeinsamen Datenumgebung erhört sich neben der Transparenz über die reinen Projektinformationen auch die Transparenz über die individuelle Arbeit der Mitarbeitenden. Mit dem verstärkten Einsatz digitaler Planungs- und Konstruktionssoftware ändern sich auch bisherige Rollen- und Aufgabenverteilungen, z. B. zwischen Ingenieur*in und CAD-Bearbeiter*in.

Bisher hatten beide meist ihren „Tanzbereich“, also jede hatte ihr Modell: die Ingenieurin hat Vorgaben (digital oder auf Papier) vorgegeben und die CAD-Bearbeiterin hat dies in ein gutes CAD-Modell überführt. Diese klaren Aufgabenverteilungen verschwimmen nun zunehmend. Insbesondere die Rolle der CAD-Bearbeiterin wird sich in den kommenden Jahren in Richtung einer Konstrukteurin mit Teilplanungsaufgaben entwickeln. Dazu muss entsprechendes Knowhow aufgebaut werden, Ängste müssen genommen und Perspektiven aufgezeigt werden. Dies ist eine wichtige Aufgabe der Führungskraft, im Idealfall aber des gesamten Umfeldes.

Zu Beginn der Anwendung der BIM-Methode gab es auch sehr viel Verunsicherung durch das Fehlen von Expert*innen. Üblicherweise fand man vorher im Kolleg*innenkreis immer jemanden, die zu einer Frage weiterhelfen konnte oder wenigstens einen Weg zur Lösung aufzeigen konnte. Dies war plötzlich nicht mehr gegeben, weil die Methode einschließlich der Software für alle neu war. Auch wenn wir nun einige Zeit in der Methodik arbeiten, so zeigt sich, wie wichtig das Herstellen und Fördern von Netzwerken ist. Damit ist nicht gemeint, irgendwo im Unternehmensintranet eine Liste mit möglichen Ansprechpersonen zu veröffentlichen. Wichtig ist dabei, dass die Leute sich persönlich kennen, also miteinander sprechen. Erst dann wird für viele die Hürde genommen, im Zweifel dort auch anzurufen, wenn ein Problem auftaucht.

Ein drittes Beispiel, auf das man im Kontext der Zusammenarbeit und Führung achten sollte: ein häufigerer Austausch insbesondere mit den Auftraggebenden bringt am Ende sicher viele Vorteile. Zu Beginn wurde dies jedoch von einigen Mitarbeitenden auch als Misstrauen interpretiert: „Warum werde ich jetzt so oft kontrolliert?“ Auch auf Seiten der Auftraggebenden stellt man Unsicherheiten und falsche Erwartungshaltungen fest: das Sprechen über Zwischenstände beinhaltet eben auch, dass noch nicht alles fertig ausgeplant ist.

Abschließend noch eine kurze Antwort auf die Frage, warum die Einführung der BIM-Methodik ähnliche Veränderungen in der Zusammenarbeit und Führung aufwirft wie die Zunahme von Künstlicher Intelligenz. Durch Digitalisierung werden Mitarbeitende immer mehr von Routineaufgaben entlastet. Diese werden durch Software oder durch KI ersetzt. Die Mitarbeitenden werden sich zukünftig immer verstärkter der Aufgabe widmen, Ideen zu finden für auftretende Überraschungen und Unvorhergesehenes. Wo früher oft Regeln, Prozesse, Standards und Wissen die Lösung war, wird dies zukünftig mehr und mehr abgelöst. Es wird wichtiger sein, Menschen zu finden, denen man zutraut Probleme zu lösen. Das müssen nicht zwingend Fachexpert*innen sein, sondern Menschen die Wege finden, gute Entscheidungen treffen können und die Netzwerke haben und nutzen. Diesen Menschen dann eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in denen sie dies guttun können, das findet sich unter dem Begriff „Neue Arbeit/New Work“ wieder.

Natascha Sonnenberg